Nur selten kommt es vor, dass man über Möbelstücke stolpert, die mit der Geschichte der eigenen Heimatstadt eng verbunden sind – selbst wenn die Heimatstadt so groß und reich an Kunstschätzen ist wie München. Dieser Armlehnsessel des Architektenduos Helbig & Haiger und das passende Tagesbett dazu katapultierten mich dagegen mitten hinein in den Münchner Jugendstil, und in meine Studentenzeit.
Eine Fassade mit vielen Gesichtern
Vom Kunstgeschichts-Institut in der Georgenstraße in die Ainmillerstraße ist’s nur ein Katzensprung, entsprechend oft kam ich an der Ainmillerstraße 22 vorbei; eine Fassade, bei der man auch noch stehenbleibt und staunt, wenn man sie zum zwanzigsten Mal sieht.
Er gehört zu einem von zwei Wohnhäusern, die das Duo Helbig & Haiger 1899 in München gebaut hatten: Die Ainmillerstraße 22 und das von der Fassadengestaltung her dezentere, aber ebenso elegante Mietshaus in der Römerstraße 11.
Münchner Jugendstil von seiner unbekannten Seite
Weniger bekannt ist, dass das Duo auch Innenräume gestaltete. Und noch seltener tauchen von ihnen entworfene Möbel im Kunsthandel auf. Das Tagesbett und der Armlehnsessel, die nun bei Scheublein Art & Auktionen versteigert werden, (Schätzpreise: 1.200 und 280 Euro) sind aus Nussholz gearbeitet und stilgetreu gepolstert.
Erstes Aufsehen hatten Henry Helbig (1872 – 1943) und Ernst Haiger (1874 – 1952) 1898 bei der Münchner Glaspalast-Ausstellung mit Entwürfen für Villen und Interieurs erregt. Sie gründeten ein gemeinsames Atelier, in dem sie neben den beiden Schwabinger Bauten unter anderem den Umbau des Palais Freyberg am Karolinenplatz 5a betreuten. Das Atelier bestand bis ca. 1903. Danach verlieren sich die Spuren von Henry Helbig.
Ernst Haigers weiteres Schaffen indes ist gut dokumentiert: Bald nach Beendigung der Zusammenarbeit wendete er sich vom Jugendstil ab. Stattdessen arbeitete er in seinen Bauten mit abgewandelten Stilelementen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts.
Von Kempfenhausen an die „Goldene Bar“
In den 1910er und 1920er Jahren baute er u.a. Villen für Augusta und Frederico de Osa in Kempfenhausen und Berg am Starnberger See; 1938 gestaltete er die „Goldene Bar“ im Münchner Haus der Kunst und verantwortete den Umbau des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig.
Münchner Kunstgeschichte(n)
Spannend wird sein, ob sich auch die Spur dieser beiden Möbelstücke, die für sich ein kleines Stück Münchner Kunstgeschichte erzählen, nach der Sommerauktion bei Scheublein wieder verliert.