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Henry Helbig, Ernst Haiger, Münchner Jugendstil, Armlehnsessel, Möbel, Auktion, Scheublein

Münchner Jugendstil ganz privat

Nur selten kommt es vor, dass man über Möbelstücke stolpert, die mit der Geschichte der eigenen Heimatstadt eng verbunden sind – selbst wenn die Heimatstadt so groß und reich an Kunstschätzen ist wie München. Dieser Armlehnsessel des Architektenduos Helbig & Haiger und das passende Tagesbett dazu katapultierten mich dagegen mitten hinein in den Münchner Jugendstil, und in meine Studentenzeit.

Eine Fassade mit vielen Gesichtern

Vom Kunstgeschichts-Institut in der Georgenstraße in die Ainmillerstraße ist’s nur ein Katzensprung, entsprechend oft kam ich an der Ainmillerstraße 22 vorbei; eine Fassade, bei der man auch noch stehenbleibt und staunt, wenn man sie zum zwanzigsten Mal sieht.

Helbig & Haiger Jugendstil München

Ein Entwurf des Studios Helbig & Haiger, der das Gesicht Schwabings bis heute (mit-)prägt: das Wohnhaus Ainmillerstr. 22 mit seiner prunkvollen Jugendstilfassade. Foto: Lenz Mayer

Er gehört zu einem von zwei Wohnhäusern, die das Duo Helbig & Haiger 1899 in München gebaut hatten: Die Ainmillerstraße 22 und das  von der Fassadengestaltung her dezentere, aber ebenso elegante Mietshaus in der Römerstraße 11.

Münchner Jugendstil von seiner unbekannten Seite

Weniger bekannt ist, dass das Duo auch Innenräume gestaltete. Und noch seltener tauchen von ihnen entworfene Möbel im Kunsthandel auf. Das Tagesbett und der Armlehnsessel, die nun bei Scheublein Art & Auktionen versteigert werden, (Schätzpreise: 1.200 und 280 Euro) sind aus Nussholz gearbeitet und stilgetreu gepolstert.

Henry Helbig, Ernst Haiger, Münchner Jugendstil, Tagesbett, Möbel, Auktion, Scheublein

Tagesbett von Henry Helbig & Ernst Haiger. Das rare Stück wird in der Sommer-Auktion bei Scheublein Art & Auktionen angeboten. Foto: Lenz Mayer

Erstes Aufsehen hatten Henry Helbig (1872 – 1943) und Ernst Haiger (1874 – 1952) 1898  bei der Münchner Glaspalast-Ausstellung mit Entwürfen für Villen und Interieurs erregt. Sie gründeten ein gemeinsames Atelier, in dem sie neben den beiden Schwabinger Bauten unter anderem den Umbau des Palais Freyberg am Karolinenplatz 5a  betreuten. Das Atelier bestand bis ca. 1903. Danach verlieren sich die Spuren von Henry Helbig.

Helbig & Haiger: Jugendstil München Original-Interior mit Möbeln

Seltenes Bild: Ein Original-Interior des Duos Henry Helbig & Ernst Haiger. Sie zeigen den Sessel und das Tagesbett in ihrer ursprünglichen Umgebung.

Ernst Haigers weiteres Schaffen indes ist gut dokumentiert: Bald nach Beendigung der Zusammenarbeit wendete er sich vom Jugendstil ab. Stattdessen arbeitete er in seinen Bauten mit abgewandelten Stilelementen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts.

Von Kempfenhausen an die „Goldene Bar“

In den 1910er und 1920er Jahren baute er u.a. Villen für Augusta und Frederico de Osa in Kempfenhausen und Berg am Starnberger See; 1938 gestaltete er die „Goldene Bar“ im Münchner Haus der Kunst und verantwortete den Umbau des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig.

Münchner Kunstgeschichte(n)

Spannend wird sein, ob sich auch die Spur dieser beiden Möbelstücke, die für sich ein kleines Stück Münchner Kunstgeschichte erzählen, nach der Sommerauktion bei Scheublein wieder verliert.

 

 

Jugendstil Glas Loetz Wwe Wohnblog

Die grüne Witwe

Bis ich vor zwei Monaten zum ersten Mal diese grüne Schönheit sah, war Jugendstil-Glas für mich gleichbedeutend mit den elfenhaften Vasen von Emile Gallé. Zugegeben, das zeigt vor allem auch, dass ich auf diesem Gebiet reichlich ahnungslos bin, vielleicht geht es aber dem einen oder anderen ähnlich wie mir.

Gläserner Jugendstil aus Böhmen

Tatsächlich stammt dieses silbrig schimmernde Wunder mit dem in einem stilisierten Blütenblatt endenden Hals aus Böhmen. Neben Nancy, der Heimatstadt Emile Gallés, befand sich dort, im Grenzgebiet zum Bayerischen Wald, ein zweites Zentrum der Jugendstil-Glaskunst. Der bedeutendste Glasproduzent der Region, die Firma Johann Loetz Witwe, ist auch der Hersteller der Vase, die Scheublein Art & Auktionen in München am 30. Juni zu einem Schätzpreis von 600 Euro versteigert.

Schimmernd wie antikes Glas

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte sich Joh. Loetz Wwe. mit Glas einen Namen gemacht, das das Aussehen von Mineralien wie Onyx, Jaspis und Malachit täuschend echt imitieren konnte. Als um 1890 Glas aus der römischen Antike entdeckt wurde, dessen Oberflächenschicht sich weißlich verfärbt hatte und deshalb irisierend wirkte, kam Glas mit irisierenden Effekten groß in Mode. Loetz Witwe nahm es rasch in die Produktion auf. Der entscheidende Schritt zu so kunstvollen Objekten wie der grünen Vase bei Scheublein aber vollzog sich nach 1897: Damals wurden die schillernden „Favrile“-Gläser von Louis Comfort Tiffany unter anderem in Wien gezeigt und versetzten halb Europa in Staunen.

Erfolg im Jugendstil-Mekka Paris

Auch Max von Spaun, der Enkel der Firmengründerin, war von der Wirkung der Tiffany-Gläser fasziniert und begann in seiner Glashütte in diese Richtung zu experimentieren und mit Hilfe von Metalloxiden ähnlich schimmernde Effekte zu erzeugen. Bald entstehen zwei verschiedene Dekor-Serien – „Phänomen“ mit eher linearen Silberschattierungen und „Papillon“, bei denen die Metalleffekte eher fleckenartig wirken. Als Glasobjekte von Loetz 1900 auf der Pariser Weltausstellung präsentiert werden, erleben sie einen durchschlagenden Erfolg. Die Firma kann ihre Produkte bis in die USA verkaufen, das Heimatland Louis Comfort Tiffanys, und arbeitet mit den herausragendsten Künstlern der Wiener Werkstätten zusammen, von Josef Hoffmann bis Kohlmann Moser. Auch meine Traumvase stammt aus dieser Zeit. Neben ihrer irisierenden Oberfläche hat sie aufgelegte, silberne Blütenranken und drei Einbuchtungen im Bauch – ein weiteres Stilmittel, das für die Jugendstilobjekte von Loetz Wwe. typisch ist.

Kein Happy End

Leider konnte die Blüte der Firma die Jugendstilzeit nicht überdauern: Die schwierigen Zwanziger Jahren mit ihren Inflationen und der Weltwirtschaftskrise sowie Unglücksfälle innerhalb der Firma führten dazu, dass die Produktion 1939 endgültig eingestellt wurde.

 

 

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